1. Inhaltsangabe
Die Szene von Vers 1568-1688 aus dem vierten Auftritt des vierten Auszugs des Dramas "Iphigenie auf Tauris" von Johann Wolfgang von Goethe aus dem Jahr 1787 handelt von Iphigenie, die Pylades gegenüber ihre Zweifel bzgl. des Fluchtplans äußert, und Pylades, der Iphigenie nun überreden will.
Am Dialog sind ausschließlich Iphigenie und Pylades beteiligt. Folgende Themen sind dem Vorliegenden Dialog vorausgegangen: zunächst wurde Iphigenies Bruder Orest von seiner tiefen Depression geheilt, woraufhin Pylades, der sein bester Freund ist, einen Plan ausgeklügelt.
Dieser beinhaltet sowohl den Raub eines Bildes, der Göttin Diana als auch die Flucht von der Insel Tauris.
Iphigenies Aufgabe besteht darin die Wachen abzulenken, was wiederum bedeutet, ihren König zu belügen.
In diesem Dialog steht Iphi. vor einem inneren Konflikt. Zum einen möchte sie den König nicht belügen, da ihre Gefühle sie davon abhalten. Zum anderen ist es ihre Aufgabe als Priesterin, Pylades und ihren Bruder zu töten, da sie Gefangene sind.
Nun muss sie Pylades ihren Zwiespalt erläutern, wobei dieser versucht, Iphi. argumentativ vom Lügen zu überzeugen.
Der vorliegende Dialog kann in folgende Abschnitte gegliedert werden.
Zunächst erfährt Pylades, dass der Fluchtplan zu scheitern scheint (V.1569-1586). Anschließend bemerkt dieser, das Iphi. zu emotional ist, um zu lügen (V.1587-1618).
Im darauf folgenden Abschnitt beginnt Pylades' Argumentation und Überredungsversuch (V.1619-1688)
Die Redeanteile der Gesprächspartner sind unterschiedlich. Pylades dominiert das Gespräch (Redeanteil deutlich größer). Dies verdeutlicht wie unsicher Iphi. in dieser Situation ist, da sie sonst sehr redegewandt ist.
Ein weiterer Grund für den etwas größer ausfallenden Redeanteil seitens Pylades ist, dass er seine Argumente präzise ausführen muss, um sie zu überzeugen.
Iphi. momentane Gefühlslage wird Pylades schnell bewusst. Sie handelt nach Gefühl. Dies wird in Vers 1582 deutlich, in dem sie zugibt "sich nie ins Priesterrecht eingehüllt hat". Zstl. wird dies durch die Verwendung einer Metapher deutlich ("...Was ihm mein Herz als Recht gestehen musste") Sie ist das beste Beispiel einer Frau reines Herzens, die das Macht, was sie als richtig empfindet. Ihre Gefühle prägen und beeinflussen ihre Handlungen maßgeblich. Je ruhiger sie wird, desto mehr spürt sie das Unrecht. Viel zu groß ist für sie das Vergehen der Lüge einem Mann gegenüber, der die Rolle eines Vaters übernimmt.
Pylades widerum stellt das genaue Gegenteil dar. Seine Handlungen entspringen dem Verstand und führen auch zur List. Außerdem ist er sehr rational. Er würde alles machen, um das Wohlbefinden von Orest und von sich selbst zu sichern. Er wirkt unter anderem dadurch kühl und berechnend.
Sein Charakter bestimmt seine Vorgehensweise. Zunächst erklärt er Iphi. ganz genau, was sie machen muss, damit ihr Fluchtplan erfolgreich ist. Dabei verwendet er viele Wörter aus dem Wortfeld "Feuer" wie "Asche" und "umleuchte". Die Asche steht für das Schlechte, was ihnen widerfahren ist. Doch Asche steht ebenfalls für Vergangenes vor allem Totes, denn Iphi. ist diejenige, die nun alles verbessern kann. Um das zu betonen, schmeichelt er Iphi. Sie könne "Leben bringen" und "entsühnen".
Als sie auf Pylades Komplimente mit Zweifel reagiert ("So zieht mir vor der Seele leichte Sorge...") behauptet Pylades, dass ihre Furcht normal ist und die diese akzeptieren muss. Iphi. jedoch glaubt ihm nicht, denn sie kann dem "Zweiten Vater" nicht hintergehen. nun versucht Pylades, Iphigenie zu verdeutlichen, dass andernfalls ihr Bruder ermordet wird und die List somit notwendig ist. Ihm sind die guten Taten des Königs gleichgültig.
Außerdem versucht er, sie im Nächsten Schritt nicht mehr zu überreden, sondern ihr zu sagen, dass sie es nicht verstehe, womit er andeutet sie sei nicht intelligent.
Zur Betonung der Gefühlslage von Iphi. wird Gebrauch von rhetorischen Mitteln gemacht. Iphi. benutzt Personifikationen, indem sie ihr Herz beschreibt("Was ihm mein Herz gestehen musst.", Allein mein eigen Herz ist nicht befriedigt") Diese unterstreichen, dass ihre Handlungen und Zweifel rein aus ihren Empfindungen resultieren. Das betont sie auch im Vers 1650("Ich untersuche nicht, ich fühle nur") Hierbei vergleicht sie sich auch mit dem rationalen Pylades.
Zusätzlich betont sie, dass sie nicht unklug ist und bemerkt, dass Pylades versucht sie zu überreden.
("Fast überredest du mich zu deiner Meinung")
Die Beziehung der Gesprächspartner wird durch viele Aspekte deutlich. Pylades ist Superior, da er argumentiert. Iphigenies Aussagen orientieren sich an Pylades Argumenten, wodurch sie die Rolle des inferioren Gesprächspartners einnimmt.
Bei Pylades ist eine klare Entwicklung erkennbar, wenn man den kompletten vierten Auftritt betrachtet. Er ahnte nichts von Iphi. Sorgen und freute sich aufgrund dessen auf die Rückkehr bzw. Flucht. Als er von Iphi. Zwiespalt erfährt, ist er nicht nur wütend, sondern begegnet Iphi. gegenüber auch mit Unverständnis ("Der deinen Bruder schlachtet, dem entfliehst du", "Du weigerst dich umsonst") Der Wendepunkt in dem zu analysierenden Auszug befindet sich in Pylades' Argumentation.
Bei Iphi. jedoch ist keine Entwicklung zu beobachte. Sie ist sowohl vor als auch nach dem Gespräch unentschlossen und wünscht sich für sich selbst ein "männliches Herz" wie es Pylades hat, damit ihr die Entscheidung leichter fällt.
Alles in allem lässt sich sagen, dass Pylades sein Ziel nicht erreicht hat. Er hat es nicht geschafft, Iphi. vom Lügen zu überreden. Auch wenn er es glaubt. Bei diesem Auszug befinden wir uns bei der fallenden Handlung des Höhepunktes, denn Iphi. gefährdet den Fluchtplan. Nun hängt das Ende des Dramas nur noch von Iphi. ab.
Ich habe die Belege gegen Ende weggelassen, da die Versangaben vom jeweiligen Buch abhängig sind.